Baurecht

In dem maßgeblichen Gebiet gibt es überwiegend Wohnbebauung. Zudem gibt es in dem Gebiet eine kulturelle Begegnungsstätte und einen kleinen Friseurladen, sowie einige Läden, die der Versorgung der Bewohner des Gebietes mit Lebensmitteln dienen. Ein kleiner Friseurladen ist als kleiner nicht störender Handwerksbetrieb einzuordnen. Die früher anzutreffende Büronutzung besteht nicht mehr. Die überwiegende Nutzung entspricht der Regelbebauung eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 Abs. 2 BauNVO. Demnach ist § 34 Abs. 2 BauGB anwendbar.

 

 

(ccc) Zulässigkeit des konkreten Vorhabens nach § 4 BauNVO

Die Aufstellung der Weidehütte zur Tierhaltung müsste gemäß § 4 BauNVO i.V.m. den §§ 29, 34 Abs. 2, 9a BauGB zulässig sein.

 

 

(aaaa) Regel- und Ausnahmebebauung

Zunächst könnte es sich bei der Weidehütte um eine Regelbebauung im Sinne des § 4 Abs. 2 BauNVO oder – i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB – um eine Ausnahmebebauung im Sinne des § 4 Abs. 3 BauNVO handeln. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind grundsätzlich Wohngebäude zulässig sowie gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2, 3 BauNVO auch andere Bauten. Weidehütten sind von der Regelbebauung nicht erfasst. Auch als Ausnahmebebauung im Sinne des § 4 Abs. 3 BauNVO sind solche nicht zulässig.

 

 

(bbbb) Erweiterungen

Soweit ein Vorhaben nicht als Regel- oder Ausnahmebebauung zulässig ist, könnte es als Erweiterung im Sinne der §§ 12–14 BauNVO – unter dem Vorbehalt der Feinsteuerung des Gebotes der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 S. 2 Bau­NVO – zulässig sein. Es geht nicht um Stellplätze und Garagen im Sinne des § 12 BauNVO sowie um Gebäude für freie Berufe gemäß § 13 BauNVO. Somit kommt lediglich eine Nebenanlage gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO in Betracht, zu der gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BauNVO auch Anlagen der Kleintierhaltung gehören (zum Ganzen: VG Lüneburg, Beschluss vom 21.4.2009, 2 B 37/09 m.w.N.). Zunächst muss es sich um Nebenanlagen handeln, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Für Wohngebiete bedeutet dies, dass die Kleintierhaltung üblich und ungefährlich sein muss und der Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht gesprengt werden darf (insoweit auch VG Stuttgart, Urteil vom 9.10.2008, 11 K 2454/08). Für die Bestimmung der Üblichkeit insbesondere des Umfanges sei insoweit auf die Verkehrsanschauung abzustellen.[1] Die Haltung von Pferden entspricht nicht der Eigenart eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebiets (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 10.10.2003, 5 S 1692/02; VG Karlsruhe, Urteil vom 10.10.2003, 7 K 3323/00). Shetlandponys sind zwar kleiner als Pferde, diesen jedoch ähnlich, sodass es nicht um Kleintierhaltung, sondern um Großtierhaltung geht. Großtierhaltung ist generell nicht mit der Wohnnutzung vereinbar (modifizierend: Mager zum Urteil des BayVGH vom 5.10.2009, B 08.2380, in: JA 2010, S. 479 f.). Die Weidehütte ist als Nebenanlage zur Kleinponyhaltung somit unzulässig.

 

 

(cc) Befreiung

Anhaltspunkte für eine Befreiung vom geprägten Gebiet im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 2 Hs. 2 BauGB bestehen nicht, zumal für die Ausübung eines entsprechenden Ermessens ein Antrag – dieser ist nicht gestellt worden – erforderlich wäre, sodass sich eine Befreiungsmöglichkeit allenfalls in der Rechtsfolge bezüglich des Erlasses der Abrissverfügung auswirken könnte.

 

 

(dd) Bestandsschutz

Der materiellen Illegalität des Vorhabens könnte der von dem Ehepaar F geltend gemachte Bestandsschutz entgegenstehen, welcher zur materiellen Rechtmäßigkeit des Vorhabens führen würde. Ein derartiger Bestandsschutz kann einfachgesetzlich geregelt sein oder sich verfassungsrechtlich aus dem Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG ergeben.

Die Eheleute haben sich konkret darauf berufen, ihre Zwergziegen und Gänse bereits über mehrere Monate zu halten. Insoweit könnten Bestandsschutzerwägungen zu treffen sein. Die Eheleute beziehen sich jedoch auf die Tierhaltung als solche, nicht aber auf die Duldung der Hütte zu diesem Zweck. Der vermeintliche Bestandsschutz ist damit nicht bodenrechtsbezogen. Selbst wenn die Nutzung des Gartens zur Tierhaltung in ihrem Bestand zu schützen wäre, wären die Errichtung der Hütte und das Hinzukommen der Ponys als Ausweitung der Grundstücksnutzung einzustufen. Ausweitungen sind vom Bestandschutz keinesfalls erfasst. Der Bestandsschutz ist lediglich auf bereits Bestehendes bezogen. Die Weidehütte ist nicht durch Bestandsschutz geschützt.

 

 

(ee) Zwischenergebnis Bauplanungsrecht

Die Weidehütte ist planungsrechtlich unzulässig, sodass es auf einen Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorgaben sowie auf einen Verstoß gegen sonstiges Anlagenrecht nicht ankommt, zumal diesbezügliche Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

 

 

(b) Zwischenergebnis materielle Voraussetzungen

Das Vorhaben der Eheleute F ist materiell illegal.

 

 

3. Rechtsfolge

Rechtsfolge des § 76 Abs. 1 S. 1 HBauO ist Ermessen. Es bestehen Auswahl- und Entschließungsermessen. Das Ermessen könnte aufgrund des letztlich auf das Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB rückführbaren Gebietsprägungserhaltungsanspruches der Nachbarschaft auf null reduziert sein, sodass zwingend ein Abriss erfolgen müsste und ein mögliches milderes Mittel der Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB nicht mehr relevant wäre.

Da das Vorhaben der Eheleute F bauplanungsrechtlich vollständig unzulässig ist und demnach auch nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, ist bezüglich des Entschließungsermessens von einer Ermessensreduktion auf null auszugehen, zumal die Gebietsprägung durch die Ziegen- und Gänsehaltung aktuell bereits gestört wird, weil jedenfalls zu berücksichtigen ist, dass Ziegen erwiesenermaßen spezifisch riechen, sodass dies trotz des bodenrechtlichen Bezuges im Baurecht maßgeblich ist (zum Ganzen: VG Lüneburg, Beschluss vom 21.4.2009, 2 B 37/09), zumal Ziegen beim Auslauf ins Freie Mist verursachen, wovon Fliegen angezogen werden können. Gänse geben wie Wachhunde bei Störungen jeglicher Art laute Geräusche von sich und können dadurch die Nachtruhe im Wohngebiet stören. Somit führt die erhebliche Betroffenheit des Gebietsprägungserhaltungsanspruches der Nachbarn, der durch die Weidehütte mit Shetlandponys noch weiter beeinträchtigt werden würde, zu einer Ermessensreduktion des Entschließungsermessens im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG.

Bezüglich des Auswahlermessens darf im einstweiligen Rechtsschutz jedoch keine endgültige Tatsache geschaffen werden, um verfassungskonform eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden. Somit wäre als milderes Mittel eine Nutzungsuntersagung denkbar. Da die Weidehütte jedoch transportabel ist, kann sie weggeschafft und somit abgerissen werden, ohne dass der Abriss einer erneuten Aufstellung bei gegenteiliger Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache entgegensteht. Somit ist auch das Auswahlermessen zugunsten einer Abrissverfügung auf null reduziert.

 

 

II. Anordnungsgrund

Ein Anordnungsgrund besteht bei Eilbedürftigkeit, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Hauptsacheentscheidung durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht vorweggenommen werden darf, es sei denn, ein effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG wäre anderenfalls nicht möglich, sodass sogar Ermessensentscheidungen Gegenstand der einstweiligen Anordnung sein können. Eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt, wenn die Entscheidung und ihre Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Zwar kann Ermessen dem Grundsatz nach in einer Sache nur einmal endgültig in der Hauptsache ausgeübt werden, jedoch ist im Rahmen des effektiven Rechtsschutzes auch eine Verpflichtung der Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung möglich, einstweilen fehlerfrei zu bescheiden. Da die Weidehütte jederzeit transportabel ist und wieder aufgebaut werden kann und die Entscheidung gebunden ist, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht ersichtlich.

 

 

III. Glaubhaftmachung

Entsprechend der Aktenlage hat N den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. den §§ 920, 294 ZPO glaubhaft gemacht.

 

 

C. Ergebnis

Die Freie und Hansestadt Hamburg als Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die seitens des N beantragte Abrissverfügung vorläufig zu erlassen. neue Seite

[1]    Bezüglich der Kleintierhaltung sind zudem die Anzahl der Kleintiere und die Üblichkeit ihrer Haltung als Teil der Freizeitgestaltung zu berücksichtigen. Im Rahmen der Haltung von 60 Brieftauben im reinen Wohngebiet wurde dies ebenso abgelehnt (VG Neustadt, Beschluss vom 25.7.2012 – 4 L 625/12.NW), für die Haltung von 39 Brieftauben im allgemeinen Wohngebiet hingegen angenommen (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.9.2009 – 1 LB 258/07).